Finale Roßweiner Herbstmusik: Abschluss mit unentdeckter Romantik
Wenn man an romantisches Lied denkt, dann stehen Namen wie Schubert, Schumann und Brahms ganz vorn auf der Liste. Aber was ist mit den unzähligen anderen Liedkomponisten des 19. Jahrhunderts? Diese wieder aus der Vergessenheit zu holen hat sich Musikwissenschaftlerin Dr. Maria Behrendt zur Aufgabe gemacht. Aber über Musik zu sprechen ist müßig. Darum hat sich das Trio Pontes gebildet, Sopranistin Anna Schors und Pianist Paul Heller erwecken die Lieder zum Leben und im Gespräch wird das Publikum mit dem Klatsch und Tratsch wie auch den Umständen zu den noch unbekannten Komponisten versorgt. Dieses Format ist sehr unterhaltsam, abwechslungsreich und nebenbei lernt man noch neue Dinge!
In der letzten Auflage der Roßweiner Herbstmusik, die der Villa Bauch e.V. gemeinsam mit der Stadt Roßwein veranstaltete, stand am vergangenen Freitag der Komponist Carl Banck im Mittelpunkt des Programms: ‚Winterreise – was danach geschah‘.
Carl Banck war Zeitgenosse und Bekannter der Schumanns und Mendelssohns und hat bereits in dieser Zeit die bis dato eher unbekannten Liedzyklen von Franz Schubert nicht nur geschätzt, sondern auch eine Fortsetzung geschrieben. So erklangen Auszüge aus dem Zyklus „Des Müllerburschen Liebesklage in Mond- und Morgenliedern“ und das Spinn-off der „Winterreise“ (Schubert), „Des Leiermanns Liederbuch“. Darin beginnt Banck mit dem gleichen Text, mit dem Schubert endet und mit dem gleichen Motiv aus Schuberts „Leiermann“, bei Banck „Drüben hinterm Dorfe“. Und es wird klar, dass diese Lieder vollkommen zu Unrecht vergessen wurden. Banck orientiert sich eindeutig an Schubert, sowohl in Zitaten als auch in der ebenbürtigeren Rolle des Klaviers zum Sänger. Jedoch ist er dabei schon mehr Romantiker und ein kühner Meister der harmonischen Überraschung.
Diese Eigenheit erhöht die Emotionalität ungemein, welche durch die Interpreten Anna Schors und Paul Heller auch voll ausgekostet wird. Heimlicher Höhepunkt ist das Lied „Ruhe der Liebe“. Auch hier gibt es eine Vertonung des Textes von Schubert „Du bist die Ruh“. Beide Lieder werden von dem Trio vorgestellt und nebeneinander zum Vergleich gestellt.
Bancks Fassung beginnt mit einer volksliedhaft schlichten Melodie a la Silcher und steigert sich innerhalb von nur vier Textzeilen zu einem hochemotionalen, orgiastischen Ausbruch! Ob diese Vertonung nicht über die bekannte Schubertsche zu stellen ist, ist eine berechtigte Frage.
Bancks Stielvielfalt ist an diesem Abend ohrenfällig. Von hochromantischer Expressivität zum Beispiel im Lied „Letzte Nacht“, in dem Klavier und Sängerin mit dem Protagonisten in ihr nasses Grab hinabsteigen, über dramatisch aufgeladenen Ausrufe in „Seelendrang“ bis hin zum melodramatisch-deklinierenden „Ergebung“, dass Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ vorausnimmt.
Das Carl Banck in den musikhistorischen Klatschspalten auch eine Rolle spielte, wurde durch die Gespräche zwischen den Lieder deutlich: Clara Schumanns Vater hatte Carl Banck ursprünglich als Ehemann für seine Tochter vorgesehen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Robert Schumann nicht sonderlich gut auf Carl Banck zu sprechen war. Schumann schrieb über Banck: „Einen ganzen Shakespeare an Injurien entdecke ich in mir, wenn ich nur an ihn denke.“
Dass der Roßweiner Rathaussaal nicht sonderlich voll war, passt dabei zum Programm, wie Dr. Behrendt meinte: diese Lieder sind für den Salon und damit für ein kleines, aber exquisites Publikum geschrieben.
Und so fand die Reihe Roßweiner Herbstmusik mit diesem kammermusikalischen Highlight ein würdiges Ende. Ein Dank sei an dieser Stelle allen Sponsoren und Helfern ausgesprochen. Besonders der Kulturstiftung des Landes Sachsen, welche die Reihe finanziell ermöglichte.