Singende und erweckte Herzen in der Roßweiner Kirche
Bericht vom zweiten Konzert der Roßweiner Herbstmusik am 15.10.22
Das zweite Konzert der Roßweiner Herbstmusiken beseelte mit barocker Lust und unbändiger Spielfreude der Musiker das zahlreiche Publikum in der Roßweiner Kirche.
„So ein Feuer, so eine Freude am Spiel, das allein war schon ein tolles Erlebnis.“ Bürgermeister Hubert Paßehr sprach nach dem Konzert mit barocken Quartetten, Kantaten und Liedern aus, was die knapp 60 Besucher am Samstag Abend fühlten.
Es war wirklich auffällig, mit welcher Lust am Zusammenspiel, mit welcher Energie die acht MusikerInnen am Samstag im Altarraum der Roßweiner Kirche zusammen konzertierten!
Was um so erstaunlicher ist, als dass es sich nicht um ein festes Ensemble gehandelt hat. Das angekündigte Leipziger Barockorchester war leider verhindert. So sprangen Julia Chmielewska-Ulbrich (Orgel), Ulla Hoffmann (Violone), Uta Büchner (Violoncello), Christian Seifert (Viola), Anke Strobel (Violine) unter der Leitung von Henriette Otto-Dierßen (Violine) für das Orchester kurzfristig ein und begleiteten die SängerIn Johanna Ihrig (Sopran) und Christian Pohlers (Tenor).
Die Überschrift über das Programm war: „Wach auf mein Herz und singe“.
Und genau das wurde mit dem klug durchdachten Programm erreicht, welches die Vielfalt barocken Klangs und Virtuosität zelebrierte.
Eingerahmt wurde der Abend von Kantaten und G. Ph. Telemann Quartetten, in der Mitte standen Werke der Altmeister Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach sowie Lieder von Telemann.
Christoph Graupners Kantate „Gott hat ein Liebes-Werk getan“ eröffnete erfrischend leicht den Abend. Johanna Ihrigs klarer, brillianter Sopran ließ dabei schnell den Gedanken aufkommen, dass nicht Gott, sondern sie gerade das liebe Werk am Publikum vollbringt.
Es folgte das erste Orchesterstück von Georg Philipp Telemann, das Quartett G-Dur, TWV43: G5.
Tänzerisch schwebend warfen sich hier die Streicher die musikalischen Bälle hin und her. Es wurde ohrenfällig miteinander gewetteifert, concertiert! Nach diesem Highlight barocker Leichtigkeit folgte, zum Schützjahr passend, aus den Sinfoniae sacrae II „Es steh Gott auf“ SWV356. Dieses virtuose Stück für zwei Sänger und Orchester war eindeutig ein Souvenier aus seiner Zeit in Venedig, baute er doch einen frühbarocken Schlager, eine Passacaglia, ein, deren Ausarbeitung stark an Monteverdies Fassung erinnert. Johanna Ihrig und Christian Pohlers zeigten, was frühbarocke Gesangskunst auszeichnet mit Repetitionen und virtuosen Koloraturen. An der Textstelle: ‚Wie das Wachs zerschmelzt vor Freude‘ schmolz auch Pohhlers‘ weicher Tenor mit Ihrigs warmen Sopran zusammen und so zerschmolz auch das Publikum vor Freude!
Nach diesem Feuerwerk folgten drei Lieder von Telemann: „Gemütsruhe“, „Die Einsamkeit“ und „Die Jugend“ plastisch erzählt von Christian Pohlers. Es war schön zu sehen, dass ein junger Tenor das Lied über die Jugend interpretierte, und trotzdem wirkte die Textzeile „Der Frühling meiner Tage“ im herbstlichen Kontext mehr wehmütig als zuversichtlich.
Nach diesen Kleinodien erklang die noch nicht lang wiederentdeckte Arie von Johann Sebastian Bach: „Alles mit Gott und nichts ohn‘ ihn“ BWV 1127. Johanna Ihrig im Wechsel mit den Streicher-Ritornellen zelebrierte Bachs Grazilität und emotionale Tiefe, in die man sich hineinversenken konnte. Das ehemals Bach zugeschriebene „Bist du bei mir“ von Gottfried Heinrich Stölzel aus dem Clavierbüchlein für Anna Magdalena Bach beendete den vokalen Mittelteil. Christian Pohlers sang diese sehr zweideutige Arie. Ob die Zuversicht, freudig in den Tod zu gehen, durch Jesus Christus kommt oder durch einen geliebten Menschen, ließ auch er offen, interpretierte aber die Freude nicht als überbordend sondern durchaus mit der Endlichkeit des Lebens im Bewusstsein.
Ein wunderbarer Kontrast entstand so zum nächsten orchestralen Werk: dem Quartett B-Dur, TWV 43: B2 von Telemann. Ein Werk, in dem der Frühling frohlockend durch die Kirche wehte und die Virtosität vor allem von Henriette Otto-Dierßens erster Violine in den Vordergrund rückte. Genial zurückhalten und responsiv begleitet durch die übrigen InstrumentalistenInnen, welche es verstanden, das wohlklingende und stabile Gerüst für die Läufe der Konzertmeisterin aufzustellen.
Die Begeisterung brach sich beim Publikum schon nach dem ersten Satz mit Applaus Bahn. Bei so einem ersten Satz ist das aber auch nicht verwunderlich.
Den Abschluss des Konzerts bildete eine Art zusammengesetzte Kantate. Zuerst vom unbekannten Komponisten Johann Topf die Sopran-Solokantate „Gott, du bist mein Gott“ abgerundet von der letzten Arie und Choralbearbeitung aus Johann Sebastian Bachs Kantate „Jesus nahm zu sich die Zwölfe“ BWV 22.
Topf ist dabei eine Entdeckung. Er verstand es, den Dialog von Sopran und Streichern plastisch in Noten zu setzen, was von den Musizierenden mit Freuden ausgelebt wurde. Von lachenden Streichern über ein inniges „So denke ich an dich“ hin zu einem herrlich verspielten „Alleluia“ war alles drin und Topf zeigte sich als Meister des Stilmittels Pause!
Mit Bachs schwingendem: „Mein alles in allem, mein ewiges Gut“ und der der freudig durchs Leben tanzenden Choralbearbeitung über „Ertöt uns durch dein Güte“ entließen die MusikerInnen das Publikum mit einem absoluten Ohrwurm in den Abend, der die Erinnerung an diese bereichernde reichliche Stunde Musik noch lange in den Herzen singen lässt.
Ein großer Dank gilt daher den MusikerInnen aber auch der Kirchgemeinde als Gastgeber, der Stadt Roßwein, die in Kooperation mit dem jungen Verein Villa Bauch e.V. die Roßweiner Herbsmusiken veranstaltet, und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, welche diese Reihe fördert. Außerdem sponsern die Kreissparkasse Döbeln und der Brambor Pflegedienstleistungen das umfangreiche Programmheft, auch dafür herzlichen Dank!